Seine Nähe, seine Wärme waren tröstlich. Legten Frieden über ihren gepeinigten Geist. Messias.
War das noch wichtig? War es jemals wichtig gewesen? Nicht damals, als die Sonne ihren Rücken gewärmt hatte, das Wasser den nassen Sand um ihre Füße gespült hatte und seine Finger genau so in ihrem Haar hingen.
Für dich lasse ich sie ihre Kriege allein weiterkämpfen. Er lächelte. Sie können ohne uns leben und sterben.
»Geliebter …« Ihr Mund fand seinen, weich und fast kraftlos.
Erlöse mich …
Die Schatten wichen.
aus: »Rückkehr - Ein langer Weg nach Nirgendwo« von Anika Beer und Sophie Hollmann
Lebensdaten
Name: Shea
Todesdatum: März 2007
Todesursache: Freiwillige Aufgabe der Existenz als Geist, Selbsterlösung
Alter zum Zeitpunkt des Todes: unbekannt, Hunderte von Jahren
War es Mord? Nein
Kurzbiographie
Shea wurde zu einer Zeit geboren, als die Drei Reiche noch nicht existierten und die Menschen in Nomadenstämmen organisiert über das Land zogen. Sie wuchs als Tochter eines Stammesoberhauptes auf und besaß schon früh großes Ansehen, da sie über "die Gabe" verfügte - eine Fähigkeit, die sich am einfachsten mit einer übernatürlich scharfen Wahrnehmung beschreiben lässt. Als der Messias Valo aus dem Land hinter der Wüste zurückkehrte und verkündete, er wolle Häuser aus Stein bauen und die Stämme einen, war es Sheas Stamm, der sich am meisten dagegen auflehnte. Shea selbst jedoch sah in dem jungen Mann das, was schon Aram Al'Jassaf in ihm gesehen hatte: Einen Erlöser, der den Menschen Frieden bringen sollte. Sie wurde seine Frau und trug so maßgeblich dazu bei, den Grundstein für das Land Aynet zu legen.
Doch Sheas geliebter Mann starb bereits in jungen Jahren bei dem Versuch, ein mächtiges magisches Artefakt zu verwenden, um das Böse für immer von den Menschen zu vertreiben. Er scheiterte mit der Erkenntnis, dass "das Böse"nicht existiert, und dass kein ewiger Frieden möglich ist. Shea jedoch weigerte sich, das zu glauben. In ihrer Verzweiflung setzte sie nun alles daran, Valos Traum vom großen Frieden wahr zu machen - ohne zu merken, dass sie dabei immer mehr dem Wahnsinn verfiel und schließlich zu einem Geist wurde. Ihr einziges Ziel war seither, das in drei verfeindete Reiche zerfallene Land wieder zu einen. Koste es, was es wolle.
Tief in ihrem Inneren aber ahnte Shea bereits, dass ihr Plan niemals das sein konnte, was Valo gewollt hätte. Und als sie schließlich in einem der Königssöhne Aynets die Wiedergeburt ihres Geliebten zu erkennen meinte, glaubte Shea daher, er sei gekommen, um sie aufzuhalten. Doch sie war auf diesem Weg schon zu weit gegangen! Sie musste es zu Ende bringen! Und so setzte sie alle Hebel in Bewegung, um den wiedergekehrten Messias zu Fall zu bringen ...
Umstände des Todes
Im Keller des Königspalastes von Aynet schließlich laufen alle Fäden der jahrhundertelangen Geschichte zusammen - und der Messias erwacht. Shea jedoch muss erkennen, wovor sie die ganze Zeit über die Augen verschlossen hat: Sie ist nicht fähig, ihren Geliebten endgültig in den Tod zu schicken. Er allein kann ihr vergeben - und sie endlich aus dem Dunkel erlösen.
Würdigung
Shea war eine kluge, starke Frau, die selbstlos für ihre Ideale kämpfte. Der Tod ihres Geliebten ließ sie gebrochen zurück, dennoch gab sie sogar ihre Seele und ihren Verstand, um Valos Traum für ihn zu erfüllen. Der dunkle Pfad, dem sie in ihrer Verzweiflung folgte, bis sie den Rückweg nicht mehr fand, darf uns nicht darüber hinwegsehen lassen, dass sie immer nur dem Reich das Licht zurückgeben wollte. Das Licht des Friedens, für das Valo starb - möge sie nun in diesem Frieden ruhen.
Rolle des Autors
Shea tauchte in ihren Grundzügen bereits in der Urversion von
Rückkehr auf, als es noch eine Trilogie war und Shea als Inkarnation des reinen Bösen ihre Hexenspielchen treiben durfte. Damals war sie schlicht wahnsinnig mit mächtigen Stimmungsschwankungen und einem Hang zur Übertreibung, der ihr eine Menge komödiantisches Potential verlieh.
Als wir uns dann entschlossen, den Plot komplett zu überarbeiten, bekamen auch die meisten Pro- und Antagonisten eine oder mehrere neue Facetten - Shea bekam einen eigenen Charakter. Zusätzlich mit einer menschlichen Vergangenheit ausgestattet, entwickelte sie sich so zu einer starken Persönlichkeit, mit deren Schicksal ich immer mehr Mitleid bekam, je mehr ich darüber erfuhr.
Rechtfertigung
Sheas neugewonnener Charakter ließ natürlich das altgediente Gut-Böse-Schema nicht mehr zu, daher war auch ein einfaches Zu-Staub-Zerfallen nicht mehr angemessen. Nichtsdestotrotz war und blieb sie die Antagonistin, die es im großen Finale zu überwinden galt. Ihr Ausscheiden aus der Geschichte war also unumgänglich. Allerdings hatten wir zu dem Zeitpunkt, an dem dieser Schritt unausweichlich wurde, schon so viel Sympathie zu ihr entwickelt, dass wir ihr zumindest gönnen wollten, ihren Geliebten noch einmal zu sehen und in seinen Armen Frieden zu finden. Für sie und für uns war das mit Sicherheit die beste Entscheidung. Sie war hier im Leben ja doch nicht glücklich.